Ein Deutschkurs mit vielen Aktivitäten

Interview mit Birgit Stubbe zur Sprachförderung

Birgit Stubbe arbeitet als Sprachförderlehrerin an der Albert-Schweitzer-Schule in Neukölln. Sie ist dort im Rahmen eines bundesweiten Förderprogramms der Stiftung Mercator tätig, das in Berlin von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung koordiniert wird. Wir wollten von ihr wissen, wie das Arbeiten im eXplorarium hilfreich für die Sprachförderung sein kann. Das Gespräch führte Petra Metz.

Wie kam es zu Ihrem Engagement für das Sprachprogramm der Stiftung Mercator?

Dazu habe ich mich gemeldet, weil ich schon mein ganzes Leben lang, also seit mittlerweile 30 Jahren, in Neukölln lebe und mich das Thema Integration immer schon interessiert hat. Integration, finde ich, muss über die Sprache stattfinden. Das Mercator-Programm kenne ich durch meine Deutschdidaktik-Dozentin an der HU. Generell bietet Mercator auch studienbegleitend Schulungen für Student/innen und Veranstaltungen für Schüler/innen an. Ich hatte zunächst mein Unterrichtspraktikum an der Albert-Schweitzer-Schule gemacht und das hat mir so gut gefallen, dass ich danach bei ihnen angefragt habe, ob ich dort von meiner Stiftung aus eingesetzt werden kann. Am Anfang des Halbjahres können die Lehrkräfte jeweils bei der Schulleitung die Begleitung von Sprachförderlehrer/innen beantragen. So habe ich im vergangenen Schuljahr im Fach Deutsch in einer 11. Klasse unter anderem auch den Kurs „Roman, Theater, Film“ begleitet, den Dr. Eric Denton und die Dozentin Claudia Clemens gemeinsam entwickelt haben.

Wie arbeiten Sie konkret mit den Schüler/innen?

Ich konnte in den Unterrichtsstunden den Schreibprozess der Schüler/-innen mitverfolgen, denn im Mittelpunkt dieses Kurses stand die Beteiligung an Diskussionsforen. Dabei habe ich gesehen, an welchen Stellen konkrete Probleme auftreten, um daran gemeinsam zu arbeiten. Ich bin dann von einem zum anderen gegangen und habe geguckt, wo schleichen sich Fehler ein. Zunächst habe ich mich auf die Grammatik konzentriert, Rechtschreibung kommt dann erst im zweiten Schritt. Besonders gut an eXplorarium fand ich, dass ich den Schüler/-innen Rückmeldungen und Übungstipps zu ihren Texten geben konnte, ohne dass die Mitschüler/-innen oder auch der Lehrer etwas mitbekommen haben. Was ich gesagt habe, blieb unter vier Augen und das war hervorragend, weil sich dadurch auch ganz schnell ein Vertrauensverhältnis entwickelt hat. Sie konnten viel freier und ungezwungener arbeiten. Auch Fragen in Bezug auf das Textverständnis oder ähnliches konnten so, ohne Angst vor Bloßstellung, an mich gerichtet werden.

Was ist ihnen beim Lesen der Schüler/-innenbeiträge in den Diskussionsforen sprachlich besonders aufgefallen?

Aufgefallen sind mir Probleme mit der Groß- und Kleinschreibung oder mit dem Bau von Sätzen oder Satzverbindungen. Ich habe ihnen dann geraten, dass sie nicht immer mit „Das ist so“ und „Das ist so“ anfangen, sondern alles zu einem Text verbinden. Andere machen Schlangensätze, denen rate ich zu kürzeren Sätzen. Das Problem bei unseren Schüler/innen ist oft, dass sie kein natürliches Sprachgefühl haben. Unsereins schreibt etwas, liest sich das dann nochmal durch und merkt, das klingt richtig, was hier aber nicht der Fall ist. Oder sie haben etwas falsch gelernt und übertragen den Fehler dann immer weiter.

Wie haben sie mit den Schüler/innen kommuniziert?

Das meiste ist über eMail gelaufen. Aber ich war ja auch 3 Stunden pro Woche mit im Unterricht, und wenn mir da was Gravierendes aufgefallen ist, dann habe ich schon den einen oder anderen Schüler beiseite gezogen. Wir hatten zum Beispiel ein Mädchen, das erst fünf Jahre in Deutschland ist. Sie wurde dauernd von ihren Mitschüler/innen aufgezogen, weil sie immer die Artikel durcheinander geschmissen hat, und dann habe ich sie zur Seite genommen und sie damit getröstet, dass auch die anderen damit ihre Probleme haben. Als Studentin bin ich so ein Zwitterwesen zwischen Lehrer und Schüler, mir können sich einerseits die Lehrer/innen anvertrauen, wenn ihnen der Stress über den Kopf wächst, aber die Schüler/innen eben auch, weil sie wissen, dass ich keinen Einfluss auf ihre Benotung habe. Wenn sie mir sagen, sie schaffen das gerade alles nicht, würden sie das dem normalen Lehrer nicht sagen, weil sie dann Angst hätten, das fließt in die Bewertung mit ein.

Das war anstrengend, aber es war auch sehr erfüllend, weil man gemerkt hat, wie sehr sie sich in kurzer Zeit verbessert haben. Ihre Texte wurden immer besser, das war schon beglückend und das ist auch etwas, was man als normale Studentin in einem zehnsemestrigen Studium mit zwei Unterrichtspraktika sonst gar nicht erfahren würde. Also diese Chance ist für mich einfach super.

In welcher Weise hat das eXplorarium ihre übliche Tätigkeit unterstützt?

Ich fand den kommunikativen Charakter des Projekts hervorragend, da diese Schüler/-innen in normalen Unterrichtsstunden niemals so viel gelesen und geschrieben hätten, geschweige denn schriftlich miteinander diskutiert. Gerade für die Förderung von Schüler/-innen mit Migrationshintergrund ist es besonders wichtig, dass sie die deutsche Sprache so viel wie möglich in Wort und Schrift verwenden. Wichtig ist, dass ihre Texte nicht im luftleeren Raum stehen, sondern von ihren Mitschüler/-innen verstanden werden und sich vor allem auch auf die Texte ihrer Mitschüler/-innen beziehen. Besonders positiv fand ich zu sehen, wie sie sich untereinander beim Formulieren geholfen haben und sich gegenseitig auf Unklarheiten in ihren Texten aufmerksam gemacht haben. Die Hilfe eines oder mehrerer Mitschüler/-innen wirkt bei ihnen mehr als jede Hilfestellung durch Lehrpersonen. Gerade für den Deutschunterricht würde ich mir einen vermehrten Einsatz dieser Lernplattform wünschen, für alle Schüler/-innen. Im Bereich Deutsch als Zweitsprache könnte ich mir eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten vorstellen, vielleicht auch eigene Projekte speziell für den DaZ-Förderunterricht.

Die Schüler/innen haben in diesem Kurs außergewöhnlich viel, auch untereinander, in den Diskussionsforen diskutiert. Wodurch hat dieser Kurs die Schüler/innen so motiviert?

Herr Denton hat einfach einen tollen Deutschunterricht gemacht, denn er hat ganz viel Aktion hineingebracht. So hat er einen Autor eingeladen, Thomas Brussig, mit dem die Schüler/innen reden und später auch schriftlich diskutieren konnten, wir waren im Museum, in der Gedenkstätte an der Bernauer Straße, wir haben den Roman Sonnenallee mit den Schüler/innen gelesen, wir waren im Theater und haben dort einen Workshop gemacht.

Gerade diese Schüler/innen waren besonders sensibel dafür, dass sich jemand soviel Zeit für sie genommen hat und deshalb hat das super geklappt. Sie wurden von Woche zu Woche geübter im Formulieren und wir waren ein wirklich gutes Team.

Birgit Stubbe

Birgit Stubbe

Birgit Stubbe studierte an der Humboldt-Universität (HU) Deutsch und Geschichte auf Lehramt und hat ihr Studium mit einer Masterarbeit zum Thema Sprachförderung beendet.